Familienforschung-Freisewinkel

Freisewinkel, Fresewinkel, Friesewinkel: Namen mit märkisch-bergischen Wurzeln

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Die Protokollbücher der Sprockhöveler Markengenossenschaft

Mit seiner 2014/2016 erschienenen zweibändigen Quellenedition legt Christian F. Seidler die erste vollständige Transkription der Protokollbücher der Sprockhöveler Markengenossenschaft vor. Die Protokolle von den jährlichen Pflichttagen umfassen die Zeiträume 1634 - 1664 sowie 1709 - 1834 und sind in zwei gebundenen Bücher niedergeschrieben, die als das ältere bzw. das jüngere Protokollbuch bezeichnet werden. Als wichtige Zeitzeugnisse fanden wie bislang wenig Beachtung. Die beiden einzigen, jeweils nur wenige Seiten umfassenden Publikationen über die Markengenossenschaft bzw. über deren Protokolle liegen bereits Jahrzehnte zurück. (Fritz Lehmhaus: Die Sprockhöveler Markengenossenschaft, 1929 und Robert Grosse-Stoltenberg: Auszüge aus den Höltings-Protokollen von Sprockhövel, 1975) Seidler beschränkt sich in seiner Veröffentlichung nicht auf die Wiedergabe der Protokolle, sondern zieht zur Beschreibung der historischen Hintergründe zahlreiche weitere Originalquellen heran. Fehlen örtliche Überlieferungen, zeichnet er die Entwicklungen an Hand von Parallelbeispielen benachbarter Markengenossenschaften nach. Dabei setzt er sich auch intensiv mit der Literatur zur Markenforschung auseinander. Mit seiner Veröffentlichung leistet Seidler "nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Orts- und Familiengeschichte, sondern auch zur westfälischen Frühneuzeitforschung, der über die Grenzen Sprockhövels hinaus Beachtung verdient." (Karin Hockamp, Leiterin Stadtarchiv Sprockhövel) 

Das ältere Protokollbuch ist die erste urkundliche Erwähnung der Sprockhöveler Markengenossenschaft. Es gibt die Pachtabgaben der Markenerben und Kötter wieder, schildert die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges und die zahlreichen Verstöße gegen die Markenordnung. Waldfrevel oder Grenzverletzungen ahndete die Markengenossenschaft mit hohen Geldstrafen. In zwei Fällen sind sogar Haftstrafen überliefert. Ein wichtiger Bestanddteil der Quellenedition ist die Lokalisierung  der im älteren Protokollbuch genannten Höfe, Kotten und Fluren. Sie gelang bis auf wenige Ausnahmen und wird auf einer zum Buch gehörenden, herausnehmbaren Karte im DIN A2 Format dargestellt. In Zusammenarbeit mit Peter Kuhweide, der seine bislang unveröffentlichten Forschungen über die Marken und Markengenossenschaften im Raum Sprockhövel eingebracht hat, wird auch die Entstehung der Markengenossenschaft.  ausführlich behandelt. Die Forscher beweisen die Existenz der Sprockhöveler Mark bereits um das Jahr 1400: Nach einer Handschrift aus der Klevischen Kanzlei konnten im Berichtsjahr keine Schweine zur Eichelmast in die Sprockhöveler Mark getrieben werden. Seidler und Kuhweide halten aber eine wesentlich frühere Entstehung der Sprockhöveler Mark für wahrscheinlich und begründen dies an Hand von Indizien, z.B. die Nennung eines Scherenbergs – in Scheren oder Scharen (= Nutzungsrechte) aufgeteilter Berg – in der Nachbarbauerschaft Gennebreck um 1250 oder die Holznutzungsanteile des Klosters Werden in Wäldern der Region mindestens ab dem 10. Jahrhundert. Für die Sprockhöveler Markengenossenschaft als Rechtskörperschaft vermuten sie eine Entstehung vor 1400, da die Gründungszeit der Markengnossenschaften von der heutigen Geschichtsforschung allgemein auf das 11. bis 13. Jahrhundert datiert wird.

Das jüngere Protokollbuch unterschiedet sich vom älteren in zahlreichen Punkten. Spätestens seit 1739 sind die Protokolle bis zu einem gewissen Grad standardisiert, mit Angabe von Datum, Ort,  Funktionsträgern, fälligen Gewinn- und Urkundengeldern und dem königlichen Anteil daran. Statt Einzelschilderungen enthalten die Protokolle die Ergebnisse der jährlichen Pflichttage nun eher als eine Art Zusammenfassung. Vergehen gegen die Markenordnung und deren Bestrafung werden nicht mehr spezifiziert, sondern nur noch pauschal erwähnt. Die jährlichen Pflichttage fanden noch immer unter dem Vorsitz des   Königlichen Hofjägers und Waldförsters statt, in diesem Amt stand auch Christian Ludwig Löwenberger von Schönholtz der Markengenossenschaft von 1764 bis 1774 vor, ließ sich aber bereits 1765 und ab 1770 vom Hagener Stadtschreiber Nicolaus Heinrich Dähnert vertreten. Ab 1779 werden die wiederaufgenommenen Protokolle von den Markenerben selbst verfasst. Das letzte Protokoll der Sprockhöveler Markengenossenschaft datiert vom 22. Mai 1834, Pachtgelder wurden von den Erben bis 1832, von den Köttern noch bis 1837 bezahlt.  Vermutlich ging die Geschichte der Sprockhöveler Markengenossenschaft 1837 oder bald danach endgültig zu Ende. Doch in den 1840er-Jahren bestanden die Rechte der Markenerben an Ibachs Kotten (einem Markenkotten) zumindest noch auf dem Papier. (Chronik Sprockhövel von Thomas Noelle, Amtsbürgermeister von Sprockhövel 1839-1847, Handschrift aus dem Jahr 1848) In der Quellenedition des jüngeren Protokollbuchs  geht Seidler vor allem der Markenteilung nach, einem zentralen Thema in der Spätphase der Sprockhöveler Markengenossenschaft. Im Rahmen einer ersten großen Bodenreform gab die preußische Krone ab 1765 vielerorts ihre landesherrlichen Besitzrechte an gemeinschaftlich genutzten Grund und Boden gegen Zahlungen entsprechender Ablösesummen auf. Auch die Sprockhöveler Markengenossenschaft wurde so neue Eigentümerin der an die Erben und Kötter verpachteten Markengrundstücke. Bei der Teilung wurden aber nur die Parzellen der Waldmark privatisiert; die bestehenden Erbpachtverträge und die jährlichen Abgaben für die übrigen, weiterhin von der Markengenossenschaft gepachteten Grundstücke änderten sich nicht. Das jüngere Protokollbuch enthält dazu keine inhaltlichen Informationen. Die Protokolle von 1769 und 1772 verweisen lediglich auf die anstehende Markenteilung, zwischen 1775 und 1778 existieren überhaupt keine Protokolle. 1785 wird lakonisch die inzwischen erfolgte Teilung erwähnt. Doch bei den Recherchen zu seinem Buch entdeckte Seidler im Geheimen Staatsarchiv - Preußischer Kulturbesitz in Berlin die bislang unbekannte Akte des preußischen Generaldirectoriums zur Teilung der Sprockhöveler Mark, aus der sich die Modalitäten der Teilung ergeben. Diese Akte belegt, wie sehr die Sprockhöveler Markenteilung von Partikularinteressen beeinflusst und verzögert wurde. Bei der Teilung fühlten sich Markenerben und -kötter von der direkt zuständigen Königlichen Markenteilungskommission südwärts der Ruhr ungerecht behandelt. Sie gerieten deswegen untereinander in Streit und versuchten zwischen 1770 und 1780 in umfangreichen Schriftsätzen an die Behörden ihre Einwände gegen die Teilungsmodalitäten geltend zu machen. Erst 1780 verwarf das Generaldirectorium auch die letzten Einwände gegen die bereits 1775 rechtskräftig gewordene Markenteilung.

Seidler untermauert die Quellenedition mit zahlreichen Verweisen auf andere, teilweise bislang unbekannte Quellen zu den Anfängen wie zur Spätphase der Markengenossenschaft. Deshalb darf seine Veröffentlichung "ohne Übertreibung als das neue Standardwerk zur Sprockhöveler Markengenossenschaft bezeichnet werden. (Karin Hockamp, Leiterin Stadtarchiv Sprockhövel)

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© Christian F. Seidler